
Grundlagen
Konflikt-Know-how

Konfliktsensible Beteiligung
Dass bestehende Beteiligungsformate viele Menschen nicht erreichen, bleibt eine demokratische Herausforderung: Interessen und Perspektiven bleiben ungehört; Partizipationsmöglichkeiten und Einflussnahme ungleich verteilt.
Konfliktsensible Beteiligung zielt darauf ab, die Wechselwirkungen zwischen Vermittlungswegen von demokratischen Abläufen, Fachwissen bezogen auf die Energiewende und die daraus entstehenden Konfliktdynamiken bewusst zu machen und konstruktiv zu gestalten.
BeTEILigt zeigt auf…
- … wie neue Perspektiven auf Konflikte durch inklusive Beteiligung ermöglicht und gestärkt werden
- … welche Möglichkeiten es gibt, bei Menschen eine Akzeptanz in Bezug auf das Verfahren und nicht nur das Ergebnis des Verfahrens zu erreichen.
- … dass Konflikte im Zusammenhang mit der Energiewende häufig nicht ‚gelöst‘ werden können, dennoch gemeinwohlorientierte Kompromisse erarbeitet werden können.
- … wie durch den Einsatz konkreter Methoden, konträren Standpunkten bis hin zu demokratieskeptischen Positionen begegnet werden kann.
In Kürze
- Neue Perspektiven durch inklusive Beteiligung.
- Akzeptanz für das Verfahren selbst und weniger das Ergebnis zu erreichen: eine bestimmten Entscheidung zugunsten der Gemeinschaft mitzutragen, was nachweislich auch die Akzeptanz für das Ergebnis selbst erhöht.
- Möglichkeiten, konträren Standpunkten entspannt(er) zu begegnen.
Grundlagen Konflikte
In Energiewendevorhaben treffen häufig unterschiedliche Interessen, Ziele und Wertvorstellungen aufeinander. Dies kann zu Konflikten führen.
Solche Konflikte entstehen z.B. zwischen Kommunen (Bürgermeister*innen, Mitarbeitende in Planungsbehörden etc.), Bürger*innen, Umweltverbänden oder Projektträgern (wie z.B. Unternehmen).
Was sind KonfliktE?
Konflikte …
… deuten auf unterschiedliche Interessen hin.
Konflikte sind Ausdruck von Vielfalt in der Gesellschaft: Sie zeigen Gegensätze auf, können bei der Klärung von unterschiedlichen Zielen helfen und dadurch Vertrauen in Beziehungen und das Miteinander stärken.
… gehören zum gesellschaftlichen Miteinander dazu.
Konflikte sind wichtig für die Gestaltung von Zusammenleben in Gemeinschaften, vorausgesetzt, sie werden konstruktiv ausgetragen. Dazu gehört, Vereinbarungen zu treffen, die für möglichst Viele akzeptabel sind.
… bieten wichtige Impulse für Veränderung.
Konflikte regeln Entwicklungen in der Gesellschaft an und stellen bestehende Verhältnisse (z.B. Macht- oder Ungleichheitsstrukturen) in Frage.
Welche Rolle spielen Konflikte in Beteiligungsprozessen?
- Sie können helfen, unterschiedliche Interessen und Ziele zu erkennen.
- Sie können Transparenz und offene Kommunikation fördern.
- Sie können zu Reflexion und Problemlösung anstoßen.
- Sie können demokratische Prozesse stärken, wenn verschiedene Perspektiven sichtbar gemacht und berücksichtigt werden.
Konstruktiv vs. Destruktiv
Wann sind Konflikte…
… konstruktiv?
Wenn sich alle Konfliktparteien als legitime (politische) Gegenüber mit je eigenen Interessen anerkennen. Es gibt einen (dialogischen) Aushandlungsprozess, der Klärung und gegenseitiges Verständnis fördert.
… destruktiv?
Wenn sie eskalieren, verhärten oder in Verhalten münden, das Beteiligungsprozesse blockiert, die Kommunikation abbrechen lässt und Beziehungen belastet.
Um zu erkennen, wann Konflikte konstruktiv oder destruktiv wirken, ist wichtig, unterschiedliche Arten von Konflikten unterscheiden zu können.
Was für Konflikten sind in der Öffentlichkeitsbeteiligung von Energiewendeprojekten zentral? – Hier ein Einblick:
Konfliktarten
| Zielkonflikte | Konflikte, die auftreten, wenn unterschiedliche oder unvereinbare Ziele verfolgt werden. |
| Verteilungskonflikte | Konflikte um (knappe) Ressourcen oder Güter zwischen verschiedenen Konfliktparteien |
| Wertekonflikte | Konflikte, die auf unterschiedlichen Wertvorstellungen oder ethischen Überzeugungen beruhen. |
| Macht- und Anerkennungskonflikte | Konflikte, die entstehen, wenn Konfliktparteien über unterschiedliche Ressourcen verfügen bzw. wenn sich Beteiligte ausgeschlossen, nicht ausreichend einbezogen fühlen |
| Wissenskonflikte | Konflikte, die durch unterschiedliche Informationen oder unterschiedliche Bewertungen von Informationen entstehen. |
Speziell in Bezug auf die Energiewende und die gesellschaftliche Transformation zur Klimaneutralität ist darüber hinaus wichtig, Umwelt- und soziale Gerechtigkeit stärker miteinander zu verknüpfen, Verbindungen zwischen struktureller Ungleichheit und Umweltzerstörung aufzuzeigen. Ansonsten birgt der Wandel das Risiko einer (starken) Gegenreaktion. Erreicht werden könnte dies durch eine sozial-ökologische Transformation. Bei dieser geht es um eine grundlegende Veränderung wirtschaftlicher und sozialer Strukturen hin zu einer solidarischen und nachhaltigen Lebensweise durch Demokratisierung und Umverteilung von Macht und Ressourcen.
Weniger umwälzend ist die ökologische Modernisierung, bei der es darum geht, ökologische Nachhaltigkeit durch technologischen Fortschritt, grünes Wachstum und verbesserte Effizienz zu schaffen, ohne die bestehenden politischen oder wirtschaftlichen Strukturen grundlegend zu verändern.
Immer wieder wird in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zum Umgang mit der Klimakrise erwähnt, dass nur (noch) eine geringe Anzahl von Menschen die Existenz der Klimakrise komplett infrage stellt. Viel Uneinigkeit besteht allerdings darin, welche Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen seien, und auch in welcher Geschwindigkeit. Auch in Bezug auf die Energiewende gibt es hier unterschiedliche Ansichten – es gibt Positionen, die stärker zu einer ökologischen Modernisierung tendieren, die stark auf technologischem Fortschritt und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, und andere, die Nutzen und Lasten der Energiewende gerechter verteilen möchten, um bestehende Machtverhältnisse nicht zu reproduzieren und gemeinwohlorientierte Lösungen zu fördern.
Möglichkeit von Dialog in polarisierten Debatten
Polarisierung ist das Auftreten von Meinungen oder Überzeugungen in zwei entgegengesetzte „Pole“, häufig wird auch der Begriff „Lager“ verwendet.
Polarisierende Konflikte sind gekennzeichnet durch:
- Starke Abweichung in den Positionen
- Hohen Identitätsbezug (Werte/Überzeugungen)
- Emotionalität/Affektivität
- Geringe Kompromissbereitschaft
- das Muster „Wir gegen die“, das Gruppenidentitäten stärkt, insbesondere in Bezug auf eine Bedrohung der eigenen Gruppe durch „die anderen“
Unterschiedliche Erfahrungen, soziale oder kulturelle Hintergründe, persönliche Überzeugungen oder auch unterschiedliche Interessen können dazu führen, dass Menschen die Welt sehr unterschiedlich wahrnehmen, wie es die sechs Typen von More in Common anschalulich an konkreten Beispielen zeigen.
Wenn wir Kontroversität als einen erwünschten und stärkenden Bestandteil gesellschaftlicher Diskussions- und Streitkultur sehen, können wir sie auch in Beteiligungsprozessen willkommen heißen. Mit dieser Haltung, strahlen Sie als Gestalter*in von Beteiligungsprozessen eine entsprechende Gelassenheit aus.
Menschen reagieren auf eine gegensätzliche Überzeugung eines anderen Menschen häufig mit einem Abbruch oder dem Umgehen eines Gesprächs. Doch durch Nicht-Kommunikation findet kein Austausch statt. Die Folge: Lernen (voneinander) findet nicht statt.
Damit gegenseitiges Verständnis möglich wird, kann Dialog eine Schlüsselrolle spielen.
Selbst in polarisierenden „Wir gegen die“-Konflikten kann Dialog helfen, Brücken zu bauen und den demokratischen Diskurs zu stabilisieren.
Wir wollen in diesem Zusammenhang ein Dialogverständnis stark machen, das tiefer geht als das Alltagsverständnis des Miteinander Redens, das „listen to learn“ – „Zuhören um zu lernen“. In Abgrenzung zur Debatte, bei der es darum geht, einander mit Argumenten zu überzeugen, liegt hier der Fokus auf dem Zuhören, mit dem Ziel, einander zu verstehen.
Es geht hierbei, auch in Abgrenzung zur Konfliktmoderation oder Mediation nicht darum, Lösungen zu finden. Dialog in diesem Sinne kann Lösungsfindung vorbereiten. Er kann Teil einer größeren Veranstaltung oder eines längeren Prozesses sein.
Mit Konflikten Umgehen: Konfliktmoderation, Mediation, Prozessbegleitung
In Prozessen der Öffentlichkeitsbeteiligung sind durchführende Behörden manchmal selbst Konfliktpartei – Sie vertreten Interessen für die Stadt, die Gemeinde oder den Landkreis. Gleichzeitig sind sie es, die Beteiligungsverfahren gestalten.
Daher kann es sinnvoll sein, Öffentlichkeitsbeteiligung extern, z.B. durch professionelle Expert*innen aus der Konfliktbearbeitung begleiten zu lassen. Konfliktmoderation, Mediation oder Prozessbegleitung kann dabei unterstützen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und den Beteiligungsprozess transparent zu gestalten.
Weiterführende Links
- Das Kompetenznetzwerk Naturschutz- und Energiewende unterstützt als neutrale Einrichtung z.B. bei der Suche nach Unterstützung mit einem Mediatorenpool
