Warum Inklusion?

Zur Demokratie gehört, dass Einflussmöglichkeiten für alle Bürger*innen gleichermaßen gegeben sind bzw. sein sollen. Allen Menschen in Deutschland sollten daher die existierenden Möglichkeiten von Mitwirkung bewusst sein und die Möglichkeit zur Teilhabe gegeben werden. Es gibt jedoch nach wie vor bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die über- bzw. unterrepräsentiert sind.

Doch neben diesem, auf den Grundwerten der Demokratie basierenden Aspekt, bringt inklusive Öffentlichkeitsbeteiligung auch Mehrwerte für Entscheidungsträger*innen:

  1. Perspektivenvielfalt kann zu besseren und ganzheitlichen Lösungen führen.
  2. Wenn sich mehr Menschen beteiligen, bekommen wenige, aber laute Stimmen ein stärkeres „Gegengewicht“. Es entsteht eine Balance unterschiedlicher gesellschaftlicher Stimmen.

Im Folgenden gehen wir stärker auf diese beiden Aspekte ein.

Perspektivenvielfalt

Das Potenzial von Vielfalt ist in der Wirtschaft bereits erkannt und untersucht worden. Was in Wirtschaftsunternehmen gilt, lässt sich auch auf Politik übertragen.

Durch Perspektivenvielfalt:

  • erhalten Entscheidungsträger*innen lokales Alltagswissen der Menschen in ihren Gemeinden und Kommunen, über das sie selbst nicht verfügen.
  • sind formulierte Probleme und Prioritäten näher an den tatsächlichen Bedürfnissen und Werten der Bevölkerung.
  • können passendere Lösungen gefunden werden, auf die Entscheidungsträger*innen oder Fachleute nicht kommen würden.

Balance unterschiedlicher Stimmen

In der More in Common Studie „Die andere deutsche Teilung“, in der 2019 über 4.000 Menschen befragt wurden, wollten die Autor*innen verstehen, was Menschen in der Gesellschaft verbindet und was sie trennt. Mit Ansätzen aus Politikwissenschaft und Sozialpsychologie identifizierten sie sechs gesellschaftliche Typen mit unterschiedlichen Werte- und Moralvorstellungen.

Benannt haben die Autor*innen die unterschiedlichen Typen nach ihrem jeweiligen Verhältnis zur Gesellschaft. Die Vorstellung dieser sechs gesellschaftlichen Typen dient hier insbesondere dazu, unterschiedliche gesellschaftliche Perspektiven kennenzulernen und zu verstehen. Sicherlich wird sich nicht jede*r Einzelne in der vorgeschlagenen Kategorisierung wiederfinden. Wer dennoch neugierig ist, kann hier den Test machen.


An den äußeren beiden Polen befinden sich die Wütenden und die Offenen. Insbesondere ihre Stimmen werden im öffentlichen Diskurs stark wahrgenommen. Dadurch kann die Gesellschaft polarisierter wirken als sie es tatsächlich ist.

Während 80% der Wütenden den gesellschaftlichen Wandel z.B. als zu schnell empfindet, begrüßen 59% der Offenen ihn als Notwendigkeit.

Zwischen diesen beiden Polen liegen 64% der Gesellschaft. Wenn die im gesellschaftlichen Diskurs bisher weniger wahrgenommenen Stimmen stärker einbezogen werden, erhalten auch ihre Perspektiven Einzug in die gesellschaftliche Debatte. Sie in den Blick zu nehmen, zu aktivieren und adressieren könnte ein wichtiger Hebel in Bezug auf die gesellschaftliche Transformation der Energiewende sein.


Die sechs gesellschaftlichen Typen im Detail


Hürden & Privilegien

Beteiligung ist theoretisch ein demokratisches Recht – aber faktisch ein soziales Privileg. Menschen sind sich ihrer Privilegien häufig nicht bewusst. Sie sind jedoch entscheidend dafür, wie stark der eigene Einfluss ist. Nicht alle Menschen haben die gleichen Voraussetzungen, sich zu beteiligen. Bestimmte Gruppen werden über bestehende Beteiligungsprozesse weniger erreicht. Diese Ausschlüsse sind nicht zufällig, sondern Ausdruck struktureller Ungleichheiten, die viel mit bestehenden Diskriminierungsformen in unserer Gesellschaft zu tun haben.

Überrepräsentiert sind

  • Menschen mit hohen formalen Bildungsabschlüssen.
  • Erwerbstätige und einkommensstärkere Gruppen.
  • Menschen ab 50 Jahren.
  • Männliche Personen.
  • Weiße Menschen.

Unterrepräsentiert sind

u.a. folgende Gruppen, die BETEILIGT speziell in den Fokus stellt. BETEILIGT liegt dabei ein intersektionales Verständnis zu Grunde und der Versuch möglichst diskriminierungssensibel vorzugehen.

  • Kinder und Jugendliche, insbesondere solche, die geringere Zugänge zu Information und Bildung durch ihre familiäre, ökonomische und/oder Wohnsituation haben.
  • Menschen mit Behinderung, die in Deutschland auf vielfältige Barrieren stoßen und deren Recht auf Mitsprache, Mitgestaltung und Mitbestimmung immer noch deutlich eingeschränkt ist.
  • Menschen, für die Sprache ein Exklusionspotential darstellen kann, etwa Menschen mit Migrationsbiografie oder geringer formaler Bildung


Wenn wir Diversität in demokratischen Prozessen fördern wollen, müssen wir Zugänge und Zugangshürden in den Blick nehmen. Eine sehr gute Bestandsaufnahme hat das Programm Wissenschaft im Dialog mit Blick auf Wissenschaftskommunikation erarbeitet, die genauso für Beteiligungsprozesse anwendbar ist.
Das Poster „Wen erreicht Wissenschaftskommunikation nicht“ zeigt konkrete Beispiele für Ausschlussfaktoren, unterteilt in „individuelle Faktoren“, „soziale Faktoren“ und „strukturelle Bedingungen“.

Wen erreicht Wissenschaftskommunikation nicht? – Zum Ansehen anklicken, Link führt zur Orginal-PDF

Nicht-Beteiligung kann auch ein Privileg sein, weil man z.B. eine gewisse gesellschaftliche Norm erfüllt, die für einen persönlich Vorteile mitbringt. Warum sollte ich mich für Barrierefreiheit einsetzen, wenn ich mich überall gut fortbewegen kann? Was hat es mit mir zu tun, wenn Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihres Namens Rassimus erfahren, z.B. schwieriger eine Wohnung bekommen? Wenn meine finanzielle Lage mir erlaubt, über die Umrüstung auf Photovoltaik und Wärmepumpe langfristig Geld zu sparen, was kümmert mich dann, wenn die Strompreise durch die CO2-Besteuerung steigen?

Es gibt strukturelle Ungleichheiten in der Gesellschaft: Macht und Einfluss ist ungleich verteilt. Sie laufen entlang entgegengesetzter Kategorien – männlich gegenüber weiblich/divers, weißsein gegenüber Schwarzen Menschen oder People of Color, reich gegnüber arm, deutsch gegnüber nicht-deutsch, hoher gegnüber niedriger Bildungsabschluss, able-bodied gegnüber be_hindert. Um strukturelle Ungleichheiten in der Gesellschaft zu adressieren ist daher wichtig, dass Menschen sich ihrer Privilegien, die für sie eine Normalität darstellen, bewusst werden.

Privilegien reflektieren


Um strukturelle Barrieren abzubauen, müssen sie zunächst erkannt und verstanden werden. Dazu gehört auch ein Bewusstsein für die Privilegien jener, die leichter Zugang zu Beteiligung haben. Wie privilegiert sind Sie? Machen Sie den Test!

1 / 19

1.

Ich muss vor einer Veranstaltung prüfen, ob der Veranstaltungsort barrierefrei zugänglich ist.

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2.

Ich kann amtliche Dokumente nicht ohne fremde Hilfe oder Übersetzung verstehen und ausfüllen.

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3.

Ich muss befürchten, dass mein Name zu Vorurteilen über meine Herkunft führt.

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4.

Ich muss oft erklären, warum ich während einer Veranstaltung eine Pause oder einen ruhigen Rückzugsort benötige.

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5.

Ich muss nachfragen, ob die Veranstaltungssprache leicht verständlich oder in einfacher Sprache gehalten ist.

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6.

Ich muss zwischen der Teilnahme an einem Workshop und der Bewältigung chronischer Schmerzen oder Erschöpfung abwägen.

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7.

Ich muss vor Veranstaltungen nachfragen, ob es Gebärdensprachdolmetscher*innen oder Untertitel gibt.

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8.

Ich habe schon mal eine Veranstaltung aus finanziellen Gründen (z.B. Fahrtkosten, Einkommensausfall) absagen müssen.

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9.

Ich habe das Gefühl, häufig meine Zugehörigkeit zu einer Einrichtung oder Gemeinschaft aufgrund meiner persönlichen Merkmale (Geschlecht, Herkunft, Religion) rechtfertigen zu müssen.

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10.

Ich musste akademische oder behördliche Sprache erst erlernen, weil sie in meinem Elternhaus nicht gesprochen wurde.

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11.

Ich habe erlebt, dass mein Akzent oder Dialekt meine Glaubwürdigkeit beeinträchtigt.

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12.

Ich muss bei Veranstaltungen um Erlaubnis bitten, eine Assistenzperson oder Dolmetscherin mitzubringen.

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13.

Ich muss zusätzliche Zeit oder Mühe einplanen, um eine Treppe zu überwinden.

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14.

Ich muss Teile meiner Identität verbergen, um nicht ausgegrenzt oder stereotypisiert zu werden.

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15.

Ich habe Schwierigkeiten, mir Termine in den Abendstunden oder am Wochenende einzurichten.

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16. Frage

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17.

Ich muss befürchten, dass meine Äußerungen als „(zu) emotional“ oder „nicht objektiv“ abgewertet werden.

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18.

Ich muss kulturelle Referenzen oder Witze übersetzen, um dem Geschehen folgen zu können.

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19.

Ich muss befürchten, dass meine Behinderung oder Sprachkenntnis als Belastung für Gruppenarbeit wahrgenommen wird.

Dein Ergebnis ist

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Die Persona-Methode

Die Persona-Methode kommt aus dem „Design Thinking“. Der Ansatz lässt sich auch auf Beteiligungsprozesse übertragen. Mit der Persona-Methode wird eine fiktive Person entwickelt – mit Details zu ihrem Alltag, ihren Wünschen, Sorgen und Hoffnungen. Die Personamethode hat Grenzen und ersetzt nicht, Menschen aus der jeweiligen Zielgruppe zu Wort kommen zu lassen. Sie kann aber helfen, eine passende Ansprache für diese zu finden.

Die folgenden Beispiele sind Personas, die im Rahmen des BETEILIGT-Projekts entwickelt wurden. Sie verdeutlichen strukturelle Ungleichheiten am konkreten Beispiel. Auch zeigen sie, was Intersektionalität bedeutet: Menschen haben verschiedene Merkmale, z.B. Geschlecht, Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung, Behinderung. Diese Merkmale beeinflussen das Leben von Menschen. Auf Menschen trifft auch häufig mehr als eins dieser Merkmale zu, z.B: eine schwarze Frau mit Behinderung. Sie hat drei Merkmale. Sie führen dazu, dass sie noch stärker benachteiligt sein kann als z.B. eine schwarze nichtbehinderte Person.

Zusätzlich gibt es natürlich nicht die eine migrantische Perspektive, die eine junge Perspektive oder die eine Perspektive von Menschen mit Behinderungen, sondern eine große Heterogenität. Mit mindestens zwei Personas pro „Gruppe“ soll zumindest etwas Vielfalt innerhalb der jeweiligen Gruppen abgedeckt werden.

Beteiligung

Konflikt-Know-how